Nr. 01: Techn. Merkmale der Digitalisierung von Dias u. Negativen
Nr. 02: Die Auflösung von Diafilmen im digitalen Maßstab
Nr. 03: Dia-Scanner – eine Bilanz nach 20 Jahren
Nr. 04: Scan-Dienstleister – eine Bilanz nach 30 Jahren
Nr. 05: Praxisbeispiele für die Farb- und Neutralautomatik
Nr. 06: Alte Dias mal eben abfotografieren?
Nr. 07: Staub- und Kratzerentfernung für die Digitalisierung
Nr. 08: Autofokus und verglaste Diarahmen
Nr. 09: Scan-Beispiele von Dia-Positiven mit und ohne IR-Clean
Nr. 10: Adobe Photoshop CC und Creative Cloud im Praxiseinsatz
Nr. 11: Muster-Scans von Foto-Negativen mit und ohne IR-Clean
Alte Dias mal eben abfotografieren?
Grundgedanke
Moderne Digitalkameras haben verlockend hohe Auflösungen. In der digitalen Welt entspricht die Kopie immer dem Original. So erscheint es naheliegend, die Rettung der Dias selbst in die Hand zu nehmen. Dazu kursieren unzählige Bastelanleitungen auf YouTube und auch die Presse greift das Thema immer wieder auf. Doch ist das wirklich so einfach? Kann das Ergebnis die Erwartungen überhaupt erfüllen und den Aufwand dafür rechtfertigen?
Anmerkung: Der nachfolgende Artikel bezieht sich auf das im Jahr 2020 noch als Ingenieurbüro und Scan-Dienstleister angemeldete Einzelunternehmen. Die in 2024 gegründete Rasch-Diascan & More UG (haftungsbeschränkt) ist nur noch Lizenznehmer für den Einsatz sowie der Vertrieb der IR-Clean-Technologie.
Zeilenscanner und Flächenscanner
Es macht Sinn, zuerst einmal den Stand der Technik zu betrachten. Bei Serienscannern für Dias lassen sich zwei Bauarten unterscheiden:
- Beim klassischen Zeilenscanner bewegt ein Schrittmotor eine Zeilenkamera (engl. line scan camera) über die Vorlage, um diese zeilenweise abzutasten. Aufgrund des mechanischen Verfahrens beschränken sich die Anforderungen an die Optik und die Beleuchtung auf eine Dimension bzw. eine Zeile. Der Scan-Vorgang ist mit einem vergleichsweise großen Zeitaufwand verbunden.
- Bei einem Flächenscanner (nachfolgend kurz: „Kamera-Scanner“) wird die Vorlage direkt zweidimensional über eine Flächenkamera (engl.: area scan camera) abgetastet. Dieses rein fotografische Verfahren ist daher für höhere Geschwindigkeiten bei der Verarbeitung geeignet. Die erzielbare Genauigkeit ist von der Präzision der eingesetzten optischen Komponenten und der Konstruktion abhängig.
Beim Nikon LS-4000 ED besteht die Zeilenkamera aus einem 1-Zeilen-CCD-Sensor mit einem sehr hochwertigen Nikkor-Objektiv sowie einem Umlenkspiegel. Beim schnelleren Nikon LS-5000 ED ist hingegen ein 2-Zeilen-CCD-Sensor verbaut.
Bereits an dieser Stelle lässt sich feststellen, dass es sich beim „Abfotografieren“ quasi um die Eigenbau-Variante eines Kamera-Scanners handelt. Es spricht also zunächst nichts dagegen, dieses Konzept einmal weiterzuverfolgen. Im Folgenden werden dafür die technischen Merkmale des klassischen Zeilenscanners einmal genauer untersucht und eine vergleichbare Umsetzung mittels Kamera-Scanner bzw. Digitalkamera erörtert.
Fokussierung – Qualitätskriterium 1
Ein hochwertiger Zeilenscanner erreicht eine Auflösung von 4000 dpi, wofür er ein Makroobjektiv enthält, das idealerweise wie ein Duplizierobjektiv auf einen festen Abbildungsmaßstab optimiert ist. Bei der Abbildung eines Kleinbild-Dias auf einem Vollformatsensor ergibt sich der Abbildungsmaßstab 1:1. Die rechnerische Schärfentiefe bewegt sich in diesem Fall je nach Blende etwa zwischen 0,3 mm und 1,0 mm. Soll eine praxistaugliche Lösung mit 4000 dpi konsequent umgesetzt werden, dann ist ein Autofokus unverzichtbar. Überträgt man diese Erkenntnis auf eine Digitalkamera, so würde man zuerst einmal zu einem Makro-Objektiv mit Autofokus greifen.
Wie das Beispiel eines Makroobjektivs der 1000-Euro-Klasse zeigt, wird das Linienpaar mit 3649 dpi gerade noch aufgelöst, doch im Randbereich vermindert sich die Auflösung auf die Linienpaare mit 2580 dpi. Ein Teil dieses Schärfeverlustes ist die Folge einer chromatischen Aberration, die hier in Form von Farbsäumen deutlich erkennbar ist.
Um das vom Hersteller ermittelte Auflösungsvermögen des Fujichrome Sensia 100 ohne Detailverlust digitalisieren zu können, müsste man zunächst einmal von einer erforderlichen Scan-Auflösung von 3048 dpi ausgehen. Zwar muss in der Praxis neben dem Filmmaterial auch noch das Auflösungsvermögen des Objektivs sowie eine mögliche Bewegungsunschärfe beachtet werden.
Zur Erklärung: Das Dia für den Auflösungstest nach USAF-1951 enthält Linienpaare von bekannter Linienstärke, die insofern einer bestimmten Auflösung entsprechen. Von Interesse ist hier nur das kleine rote Quadrat links, welches rechts daneben als vergrößerter Ausschnitt dargestellt ist.
Dem gegenüber ist ein spezialisiertes Industrie- oder Reproobjektiv klar überlegen, weil es auf einen bestimmten Abbildungsmaßstab berechnet ist. Farbsäume werden typischerweise durch eine apochromatische Korrektur verhindert. Beim Vergleich von Bild 5a (Reproobjektiv) mit Bild 2 (Universalobjektiv) ist das auch deutlich erkennbar. Dieser Vorteil kann jedoch nur mit dem Nachteil erkauft werden, dass ein Autofokus nicht verfügbar ist. Die Bilder 5a und 5b sollen den Effekt der geringen Schärfentiefe beim Abbildungsmaßstab von etwa 1:1 veranschaulichen. Da sich der Diafilm abhängig von der Rahmendicke aus der Fokussierebene verschiebt, ist ein Autofokus unverzichtbar. Um trotzdem nicht auf die Vorteile eines Reproobjektivs verzichten zu müssen, entwickelte man bei Rasch-Diascan ein eigenes Autofokus-System, das die Position des Diafilms auf 10 Mikrometer genau messen kann.
Bei der Bewertung der beispielhaften Bilder 5a und 5b sollte man nicht übersehen, dass der hier stark vergrößert gezeigte Ausschnitt aus dem USAF-Chart ab Gruppe 4 in der Realität sehr klein ist. Abhängig vom genauen Abbildungsmaßstab und der Blende des optischen Systems variiert die Schärfentiefe. So erreicht der von Rasch-Diascan entwickelte Kamera-Scanner bessere Werte, während der Nikon-Scanner eine etwas geringere Schärfentiefe hat.
Zudem darf man nicht übersehen, dass im „Worst Case“ eine Schärfentiefe von nur 0,3 mm auch am Bildrand noch eingehalten werden muss. Schon ein geringer Winkelversatz zwischen Objektiv und Dia würde dort zu einer Unschärfe am Rand führen. Die übliche Vorlage nach USAF-1951 hilft da nicht weiter, da sie Linienpaare nur in der Bildmitte enthält. Stattdessen benötigt man eine spezielle Vorlage für den Schärfetest, die auch eine Beurteilung der Ränder erlaubt. Da sich Fehler addieren, dürfen im gesamten optischen System keine größeren Toleranzen enthalten sein, während zugleich eine Justierung der Abbildungsebene im Mikrometerbereich möglich sein muss. In diesem Zusammenhang bedanke ich mich für die fachkundige Unterstützung durch die ZÖRK Film & Fototechnik in München, deren Inhaber Herwig Zörkendörfer über mehrere Jahrzehnte Entwicklungs- und Konstruktionserfahrung insbesondere im Bereich der Makrofotografie verfügt.
Aus den in diesem Abschnitt betrachteten Aspekten ergibt sich ein entscheidender Nachteil gegenüber einem Zeilenscanner. Um eine vergleichbare Genauigkeit zu erreichen, muss ein Kamera-Scanner wesentlich präziser aufgebaut sein und kommt dabei auf deutlich größere Abmessungen. Für am Consumer-Markt angebotene Scanner sind das klare Ausschlusskriterien, auf die ein Scan-Dienstleister jedoch keine Rücksicht nehmen muss.
Lichtquelle – Qualitätskriterium 2
Bei einer LED-Beleuchtung wird weißes Licht tatsächlich aus mehreren Farbquellen kombiniert. Dabei ist in der Praxis nur das sichtbare Spektrum von etwa 400 nm bis 700 nm von Interesse. Ein Vergleich zwischen der spektralen Verteilung von Tageslicht und einer weißen LED zeigt, dass die Wellenlängen sehr unterschiedlich verteilt sind. Es handelt sich hier um eine qualitative Darstellung. Abhängig vom jeweiligen Produkt können LED-Kennlinien von der hier gezeigten Darstellung mehr oder weniger deutlich abweichen.
LED-Beleuchtungen lassen sich nach einem CRI-Wert klassifizieren, der angibt wie gut das Tageslichtspektrum angenähert wird. Für eine Digitalisierung hat das zur Folge, dass sich die Farbbalance und Kontraste gegenüber dem Original deutlich sichtbar verschieben. In einem Zeilenscanner ist daher bereits eine Standardkorrektur für das Farbspektrum der eingebauten Lichtquelle enthalten. Eine individuelle Anpassung ist zudem per Farbkalibrierung möglich.
Infrarot-Reinigung – Qualitätskriterium 3
Einer der größten Nachteil beim Abfotografieren von fotografischen Filmen wie Dias oder Negativen ist sicher die fehlende Staub- und Kratzerentfernung auf der der Grundlage eines Infrarot-Scans. Die hardwareseitige Staub- und Kratzerentfernung mittels Infrarotlicht war bisher den hochwertigen Zeilenscannern als Alleinstellungsmerkmal vorbehalten. Es sind zwar auch rein softwarebasierte Verfahren zur Retuschierung verfügbar, doch eine Infrarot-Reinigung bleibt im direkten Vergleich bis heute die mit Abstand zuverlässigste und effizienteste Reinigungsmethode. Vergleichbar mit einer Röntgenaufnahme kann Infrarotlicht die Farbschicht von Dias mehr oder weniger ungehindert durchdringen, während Staub- und Kratzer als dunkle Schatten auf dem Infrarotbild erscheinen. Die Verunreinigungen lassen sich somit über eine Software lokalisieren und zielgerichtet entfernen. Feine Details und die Schärfe des Bildes bleiben auf diese Weise erhalten.
Bewertung
Allein die Betrachtung der 3 technischen Qualitätskriterien spricht klar dagegen, dass sich die Erwartungen bei einer Digitalisierung mit der eigenen Kamera erfüllen. Beispielsweise mit einem gemieteten Zeilenscanner kommt man sicherlich schneller zum Ziel und erhält gute Ergebnisse, nachdem man sich mit der Bedienung und den oft umfangreichen Parametern vertraut gemacht hat. Doch rechnet man je nach Qualität und Mietgerät mit einem realistischen Zeiteinsatz von mehreren Minuten pro Scan, so stehen auch hier dem Qualitätsvorteil ein deutlicher Kosten- und Zeitaufwand gegenüber. Qualität zum günstigen Preis kann daher nur ein Scan-Dienstleister mit hohem Automationsgrad liefern.
Kamera-Scanner mit Infrarot-Reinigung
Im Unterschied zum einfachen „Abfotografieren“ ist der von uns eingesetzte Kamera-Scanner mit zusätzlicher Hardware und Automatisierungstechnik ausgestattet, um zu jedem Scan ein zusätzliches Infrarot-Bild für die Staub- und Kratzerentfernung „IR-Clean“ zu erfassen. Im Vergleich zum klassischen Filmscanner mit integrierter Zeilenkamera lässt sich die Geschwindigkeit durch den Einsatz einer Kamera mit Flächensensor wesentlich erhöhen. Die in der industriellen Bildverarbeitung eingesetzten Flächenkameras kosten jedoch bei vergleichbaren technischen Daten trotz weniger komfortabler Ausstattung ein Vielfaches moderner Digitalkameras.
Im Laufe der Entwicklung haben wir uns bei Rasch-Diascan dafür entschieden, die spiegellose Systemkamera Sony α7R III mit einem spezialisierten Industrieobjektiv zu kombinieren und durch weitere Eigenentwicklungen zu ergänzen. Sony ist der weltweit größte Hersteller von Bildsensoren, die in vielen Marken des Consumer-Marktes sowie in Industriekameras verbaut werden. Für den auf dieser Basis entwickelten Kamera-Scanner ergeben sich somit folgende technische Merkmale:
- Aufgrund des moderneren Bildsensors erreicht der Kamera-Scanner im Vergleich zum Nikon LS-5000 ED eine deutlich höhere Schärfentiefe, was aufgrund der natürlichen Wölbung von Diafilmen ein entscheidender Vorteil ist.
- Ein auf den Abbildungsmaßstab 1:1 spezialisiertes Repro-Objektiv ermöglicht eine effektive Auflösung von 4000 dpi bis in die Randbereiche.
- Voraussetzung für diese Bildschärfe ist der eigens entwickelte Laser-Autofokus, der die von der Dicke jedes Diarahmens und der Wölbung des Films abhängige Fokussierebene mit einer Genauigkeit von 10 Mikrometern ermittelt und nachregelt.
- Als Lichtquelle kommt ein LED-Leuchtfeld zum Einsatz, das für die industrielle Bildverarbeitung konzipiert ist, über ein patentiertes Verfahren ein sehr homogenes Licht erzeugt sowie ein vollständiges Farbspektrum liefert.
- Eine Infrarot-Reinigung ergänzt den Kamera-Scanner um das entscheidende qualitative Merkmal, das bislang allein den Zeilenscannern vorbehalten war.
Nachtrag vom Januar 2023 zu »IR-Clean 3.0«
Aus heutiger Sicht erscheint es aufgrund des Aufwands wenig sinnvoll, die eigenen Dias abzufotografieren oder ein derartiges System für den Eigenbedarf aufzubauen. Zwei Jahre nach Projektbeginn wurde ein marktfähiger Prototyp des Kamera-Scanners mit Infrarot-Reinigung fertiggestellt. Auch vorgereinigte Dias sind immer noch mit Staubpartikeln, Textilfasern behaftet. Meist zeigt sich auch bei ansonsten gut erhaltenen Dias der erste Schimmelbefall in Form von kleinen schwarzen Punkten, die sich vom Rand nach innen ausbreiten und aus denen später Schimmelfäden wachsen. Folglich kann eine Digitalisierung ohne Infrarot-Reinigung immer nur zu Ergebnissen führen, welche Störstellen in vergrößerter Darstellung enthalten. Die rein software-basierten Verfahren sind hingegen immer mit Detailverlusten verbunden.
Ende der 90er-Jahre kamen die ersten Zeilenscanner mit hardware-basierten Verfahren zur Staub- und Kratzerentfernung per Infrarot-Scan wie z.B. »ICE« von Nikon auf den Markt. Verfahren wie »ICE« werden nicht mehr weiterentwickelt. Andere Verfahren wurden zwar weiterentwickelt, doch sind diese oft nur manuell einsetzbar und somit zeitaufwändig. Bis heute gibt es immer noch Scan-Dienstleister, die sich auf Diafilme beschränken, die entsprechend dem E6-Prozess entwickelten wurden. Das geht jedoch an der Praxis vorbei, da viele Hersteller von Diafilmen erst ab etwa Mitte der 80er-Jahre auf den von Kodak entwickelten E6-Prozess umgestellt haben. Das heißt, in vielen Dia-Sammlungen sind auch infrarot-absorbierende Dias enthalten, bei denen herkömmliche Software-Produkte für eine Infrarot-Reinigung zu deutlichen Artefakten (Bildstörungen) führen oder zumindest nicht automatisiert einsetzbar sind. Hinzu kommen noch Kodachrome-Filme, die zudem auch noch ein spezielles Farbprofil benötigen. Einige Scan-Dienstleister behaupten sogar, eine Infrarot-Reinigung für Diafilme wie Kodachrome sei aus technischen Gründen unmöglich.
Bei Rasch-Diascan haben wir das softwareseitige Verfahren weiterentwickelt. So lassen sich seit der Version »IR-Clean 3.0« alle Fabrikate von Dia-Farbfilmen vollautomatisiert verarbeiten, wobei das Risiko für Artefakte auf nahezu Null reduziert werden konnte. Auch eine Vorsortierung nach Filmtypen ist nicht mehr nötig. Außerdem können softwareseitig bereits jetzt auch Fotonegative verarbeitet werden, die Hardware kann daher zukünftig für die Verarbeitung von Filmstreifen aufgerüstet werden. Der Kamera-Scanner als hardware-technischer Teil (technisch: „Flächenscanner“) wird inzwischen am B2B-Markt über eine Nutzungslizenz angeboten, während der software-technische Teil von IR-Clean lediglich die vom Scanner gelieferten RGBi-Dateien benötigt und somit an einem zentralen Ort verbleiben kann. »IR-Clean« würde dann als Service zur Verfügung stehen. Ein Verkauf am B2C-Markt ist nicht beabsichtigt, da sich der Materialwert des Scanners im 5-stelligen Bereich bewegt. Die Ergebnisse unseres Systems werden in den Technischen Hinweisen Nr. 9 und 11 gezeigt und können dort in voller Auflösung heruntergeladen werden.
Helmut Rasch, 06.04.2020
Letzte Aktualisierung: 04.11.2024